Kooperation und Konfrontation in der Natur

 

Die wirklich interessanten Fortschritte in den Wissenschaften finden heute an den Rändern der Einzeldisziplinen statt. Dort, wo scheinbar Unvereinbares vermischt wird, wo neue, hybride Fächer ohne klare Vorgaben entstehen. Die Mathematik-Forschung hat auf diesen Randgebieten große Fortschritte erzielen können - insbesondere in der Beherrschbarkeit von immer komplexeren Situationen.

Es ist bekannt, daß die Mathematik sich auch anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen öffnet. Die Symbiose zwischen Mathematik und Physik ist sehr fruchtbar; ein vergleichbares Verhältnis könnte sich zwischen Biologie und Mathematik anbahnen. Berührungspunkte liegen vor allem in der Evolutionstheorie und der Molekularbiologie. Wir wollen nun eine wenig genauer auf die mathematischen Methoden der Evolutionstheorie eingehen.

Das Auftauchen spontaner Kooperation und Hilfsbereitschaft während der Evolution läßt noch immer viele Fragen unbantwortet. Komplexe, arbeitsteilige Gesellschaften wie Bienenstöcke, Ameisenhaufen, Rudeln und Menschengruppen bilden sich nur durch Aufgabenteilung und Kooperation. Die Frage nach der Intelligenz scheint zunächst zweitrangig zu sein - da Ameisen kaum Einsicht in ihr Tun verfügen. Indem die Ameisen die Versorgung ihrer Königin sichern, tragen sie allerdings zum Fortbestand der eigenen Erbinformation bei!

Doch Kooperation findet auch unter Individuen statt, die nicht direkt miteinander verwandt sind. Einen Erklaerungsansatz lieferte ein großes Computerturnier, zu dem der Politologe Robert Axelrod von der Universität Michigan bereits 1981 aufrief und in dem verschiedene Verhaltens- weisen gegeneinander antraten. Grundlage war eine Population künstlicher Individuen die das wiederholte Gefangenendilemma spielen. Die beiden Partner treffen während des Turniers mit hoher Wahrscheinlichkeit nochmals aufeinander. Im Detail hatten sich an folgende einfache Spielregeln zu halten hatten:

Jedesmal wenn 'A' auf 'B' trifft, entscheiden sich die beiden ob sie kooperieren oder die Kooperation verweigern wollen. Für jede Interaktion wurden Punkte vergeben:

Überraschenderweise setzten sich die 'Schmarotzer' nicht durch. Viele Strategien machten ihre Zusammenarbeit davon abhängig, ob der Partner früher mit Ihnen kooperiert hatte. Der Sieger heißt 'Tit for Tat' (TFT) - dies bedeutet nichts anderes als 'Wie Du mir, so ich Dir'. Beim ersten Zusammentreffen kooperiert der 'Tit for Tat'-Spieler, bei den nächsten Interaktionen tut er jedoch immer das, was der andere voher gemacht hat. Jeder einzelne TFT Spieler hat also niemals mehr Punkte als sein Gegenspieler!

Doch können wir mit mathematische Methoden auch das Verhalten der menschlichen Gesellschaft nachspielen? - Zugegeben eine interessante Frage und ein sicherlich sehr komplexes Spiel? Wenn man dieses Spiel gründlich vereinfacht und sich auf bestimmt Situationen mit kontrollierbaren Bedingungen beschränkt, dann wird dieses Spiel machbar. Spiele haben als Modell für menschliches Handeln der Vorteil, daß sie Vereinfachungen zulassen. Alle Beteiligten haben das gleiche Ziel - sie wollen gewinnen. Jeder ist egoistisch, keiner läßt freiwillig den anderen den Vorzug. Die Regeln und die Anzahl der Spieler sind allen bekannt und dürfen während des Spiels nicht geändert werden. Und dennoch liegt der Ausgang des Spiels nicht fest, weil der Zufall immer mitspielt - doch ist dieser nicht der Hauptgrund!

Wie weit die Spieltheorie das wirkliche Handeln der Menschen modellieren kann, war allerdings immer umstritten. Erklärt die Spieltheorie menschliches Handeln, oder kann sie Ratschläge geben wie wir handeln sollen?

Erst kürzlich stellten Prof. Dr. Karl Sigmund von der Universität Wien und Dr. Nowak von der Universität Oxford ihre mathematischen Fortschritte in der Spieltheorie vor. Sie haben ein völlig neues Modell entwickelt, das zu überraschenden Ergebnissen geführt hat. Prof. Sigmund hat nicht nur den Punktwert, der in der Interaktion erspielt wird und den Fortpflanzungserfolg anzeigt, sondern drüber hinaus einen 'Imagewert' eigeführt. Jeder Akt der Hilfe steigert somit das soziale Ansehen und damit die Bereitschaft des nächsten Partners zur Kooperation. In ihrer einfachsten Form, läßt sich diese Gesellschaft aus Individuen, die auf ihren guten Ruf bedacht sind, sogar analytisch angeben. Details zu diesen hier nur angedeuteten Forschungsergebnissen wurden auf dem Internationalen Kongress der Mathematik in Berlin (1998) der Fachwelt vorgestellt - und man hörte aufmerksam zu!

Weitere Details:
http://archiv.berliner-morgenpost.de/bm/archiv1998/980825/uni/story00.html

Univ.Prof. Dr. Karl Sigmund
Institut für Mathematik
Universität Wien


Mathematik-Olympiade


Mathematische Wettbewerbe gibt es schon seit vielen Jahrhunderten, ja vielleicht schon seit Jahrtausenden. Früher wurden sie richtig als Herausforderungen in der Form von Duellen durchgeführt. Man mußte nicht nur die Aufgaben des Gegners in der vorgegebenen Zeit lösen, sondern natürlich auch dem Gegner eigene Aufgaben stellen, deren Lösung man natürlich kennen mußte. Da war es schon gut, wenn man Formeln und Verfahren kannte, die der Gegner nicht beherrschte. Berühmt wurden in diesem Zusammenhang die Formeln zur Lösung kubischer Gleichungen. Diese Herausforderungen waren allerdings nicht für Schüler gedacht, sondern für Erwachsene. Der Verlierer mußte mitunter eine beträchtliche Summe zahlen, beziehungsweise ein Fest für den Sieger und seine Freunde ausrichten.

Die Wettbewerbe für Schüler, genauer für Studenten begannen voriges Jahrhundert in Ungarn. In diesem Jahrhundert wurden erst richtige Schülerwettbewerbe veranstaltet. Aus diesen entwickelten sich die nationalen Mathematikolympiaden in den einzelnen Ländern. Wir haben heuer die 30.Österreichische Mathematik Olympiade (ÖMO). Weiters entwickelte sich die Internationale Mathematikolympiade kurz IMO genannt. Waren bei den ersten Internationalen Mathematikolympiaden noch weniger als zehn Länder vertreten,sind es jetzt bereits mehr als 80.

Die IMO wurde in den ersten Jahren in den Staaten Osteuropas veranstaltet, obwohl dann mit Frankreich, Italien, Schweden und anderen auch Westeuropäer teilnahmen. Auch Kuba und die Mongolei traten als Veranstalter auf. Österreich veranstaltete als erstes westliches Land eine IMO und zwar im Jahre 1976. Leicht war es damals nicht, da alle kommunistischen Staaten warten mußten, bis sich der große Bruder angemeldet hatte. Aber es waren dann doch 18 Länder mit jeweils 8 Schülern in der Mannschaft. Heute besteht jede Mannschaft nur mehr aus 6 Schülern.

Seit 1978 gibt es einen bilateralen Wettbewerb zwischen Österreich und Po-len, den Österreichisch-Polnischen Mathematik Wettbewerb (ÖPMW). Solche Wettbewerbe machten international Schule. Auf den verschiedenen Altersstufen wur-den von dem Wettbewerb an der Schule, in der Region bis zum ganzen Staat Wettbewerbe veranstaltet. In Südamerika gibt es weitere Wettbewerbe der spanischsprechenden Länder Süd- und Mittelamerikas. Auch Brasilien obwohl portugiesisch sprechend nimmt daran teil. An manchen dieser Wettbewerbe sogar Spanien.

Auch in Europa gibt es einen solchen überregionalen Wettbewerb, den Baltischen Weg, an dem die Ostseestaaten teilnehmen. Auch internationale Wettbewerbe der Schulen (Känguruhwettbewerb) oder der Städte (Turnier der Städte) gibt es. Bei den meisten dieser Wettbewerbe müssen mehr oder weniger knifflige Aufgaben gelöst werde. Jede Aufgabe erfordert vom Schüler eine eigene Lösungsidee. Es sind keine gewöhnlichen Hausübungsbeispiele. Vor allem in Amerika werden Aufgaben gestellt, bei denen die Antwort aus 5 vorgegeben Antworten ausgesucht werden muß. Bei allen diesen Wettbewerben kommen die Beispiele von oben her. Das heißt, die Aufgaben werden vom Organisationskomitee zusammengestellt. Keine leichte Aufgabe wenn man bedenkt, daß immer wieder neue Beispiele konstruiert werden müssen.

In einem Staat, den es nicht mehr gibt, stand allerdings auch das Erfinden von Wettbewerbsaufgaben auf dem Lehrplan, und das schon in der vierten Klasse Volksschule. Diese Idee könnte man aufgreifen, und in der Klasse zwischen Gruppen, oder in der Schule zwischen Klassen, oder in einer Stadt zwischen den Schulen einen solchen Wettbewerb veranstalten, bei dem die Aufgaben von den Schülern selbst zusammengestellt werden. Ein bißchen Kontrolle durch die Lehrer sollte aber doch stattfinden, damit die Aufgaben auch lösbar sind. Dann werden die Schüler erst merken, daß die verständliche Formulierung der Aufgaben gar nicht so einfach ist. Auch die Idee einer amerikanischen Lehrerzeitschrift kann ausgenützt werden. Dort wird für jeden Monat ein Kalenderblatt mit Aufgaben oder Bemerkungen über berühmte Mathematiker für jeden einzelnen Tag abgedruckt. Wochen- oder Monatsaufgaben auf dem schwarzen Brett wären doch was Neues.

Weitere Details:
http://olympiads.win.tue.nl/imo/

Univ.Prof. Dr. Gerd Baron
Institut für Diskrete Mathematik
Technische Universtität Wien


Mathematische Spiele - spielerische Mathematik


Wo kann man Spiele sehen, die Wissenswertes über die Mathematik vermitteln und einfach zu verstehen sind? Bleiben nur Trivialspiele, bei denen man höchstens Wissensunwertes dazulernt, oder gibt es ein nachdrückiches Nein - zum Beispiel die Jagd auf Zahlen und Figuren!

Noch im 17.Jahrhundert erzeugten 'negative' Zahlen entschiedenen Widerstand bei den meisten Mathematikern. Descarte etwa prangerte negative Wurzeln als 'falsche Wurzel' an und auch Blaise Pascal war noch der Überzeugung, es könne keine Zahl keiner als Null geben! Leibniz, der zwar zugab, daß negative Zahlen zu absurden Schlußfolgerungen führen könnten, verteidigte sie als ein nützliches Hilfsmittel für die Durchführung von Rechnungen.

Auch in der Mathematik ist es nicht möglich zu entscheiden, welche Periode die wahrhaft 'größte' Epoche genannt werden soll, da jede neue Generation auf dem Werk ihrer Vorfahren aufbaut. Die Gegenwart ist von einem beispiellosen Maß an mathematischen Forschungstätigkeit geprägt. Ich möchte nur die wichtigsten kurz aufzählen:

Daß Oberflächen, wie zum Beispiel der Fußboden, nicht nur mit drei-, vier- und sechseckigen Brettern regelmäßig belegt werden können, zeigen schon die berühmten Graphiken vom M.C.Escher. Der Physiker Roger Penrose entwickelte daraufhin die theoretischen Grundlagen, die das 'Parkettieren der Ebene' zu einem Zweig der mathematischen Wissenschaft machten. Mit 'Fractiles' kann man diese Theorie ohne viel Wissenschaft ohne viel Theorie selber ausprobieren.. Diese Elemente lassen sich zu sehr phantasiereichen Mustern zusammensetzen und ergeben die nötigen Ideen zur kommenden Renovierung der Küche oder des Badezimmers! Das gleiche gilt auch für den dreidimensionalen Raum!

Geheimcodes sind ein anderes sehr aktuelles Kapitel der Mathematik. Heute dreht sich alles um die 'rasche' Faktorisierung großer Zahlen und die rechnerische Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben können. Eine der sichersten Formen der Verschlüsselung von Nachrichten macht sich nämlich gerade die Schwierigkeit zunutze, sehr große Zahlen in faktoren zu erlegen. Die Geschichte, wie sich ein scheinbar nutzoser und esoterischer Bereich der reinen Mathematik zur Grundlage unserer heutigen, modernen Sicherehitssysteme mauserte, ist eine der interessantesten mathematischen Entwicklungen unseres Jahrhunderts. Geheime Codes zu verwenden ist nicht neu. Schon Julius Cäsar verschüsselte während des Gallischen Krieges die Botschaften an seine Generäle. Heute gibt es wirtschaftliche und politische Gründe um Nachrichten so zu schützen, daß sie nicht in falsche Hände gelangen.

In einem typischen 'Verschlüsselungssystem' vereinbaren Absender und Empfänger im voraus einen gehiemen Schlüssel, den sie dann zur Übermittlung ihrer Nachrichten benutzen. Solang der Schlüssel geheim gehalten wird, sollte das System - vorausgesetzt es ist gut - sicher sein. Ein Beispiel dafür ist das amerikanische System 'Data Encryption Standard (DES)', dessen Schlüssel eine Zahl sein muß, die in der binären Schreibweise 56 Bits benötigt. Warum muß der Schlüssel so eine große Zahl sein? Nun, niemand macht ein Geheimnis daraus wie das DES-Verfahren funktioniert. Alle Einzelheiten lassen sich in der Fachliteratur nachlesen. Theoretisch könnte der Feind also unseren Code knacken, indem er nacheinander alle Schlüssel ausprobiert - doch dies ist eine so enorme Anzahl, daß es eine praktische undürchführbare Aufgabe ist. Obwohl diese DES-Systeme heute weit verbreitete sind, haben sie doch einen offensichtlichen Nachteil. Bevor sie benutzt werden können, müssen sich die Parntner über den Schlüssel verständigen. Da der Schlüssel sicher nicht über das öffentliche Kommunikationsnetz mitgeteilt werden soll, müssen sich die Partner treffen, oder zumindest über einen vertrausenswürdigen Kurier verfügen, der die Schlüssel übermittelt. Das System eigent sich nicht für die Kommunikation zwischen Partnern, die sich nicht persönlich kennen. Insebsondere eignet es sich nicht für den Einsatz im internationalen Bank- oder Wirtschaftswesen, da es in diesem Bereich oft notwendig ist, vertrauliche Nachrichtn an unbekannte Personen im fremden Ländern zu schicken. Abhilfe dazu schafft ein völlig neuartiges System der Kodierung - public key encryptography - im Jahre 1975 erstmals vorgestellt. Hier wird nicht nur ein Schlüssel verwendet sondern zwei - einer zu Kodieren, der öffentlich bekannt ist, und ein anderer zum Dekodieren, der geheim ist. Das Verfahren, das von Ronald Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman vom MIT entwickelt wurde ist heute als RSA-Verfahren bekannt. Die Sicherheit beruht also gerade auf der ineffizienz der heutigen Methoden der Faktorisierung sehr großer Zahlen. Heute werden oft 100-stellige Primzahlen zur Erzeugung eines 200-stelligen öffentlichen Schlüssels verwendet.

Wie lange ist die Küste Großbritanniens ?

Diese Frage war der Gegenstand eines epochemachenden Artikels, der 1967 unter gleichem Titel in der Zeitschrift Science erschien. Der Verfasser war Benoit Mandelbrot, ein brillianter fanzösischer Mathematiker, der für IBM in New York arbeitete. Auf dem ersten Blick scheint auch diese Frage durchaus harmlos zu sein. War würde erwarten, daß sich eine einigermaßen genaue Antwort mit Hilfe einer Straßenkarte oder durch Anfertigung von Lutaufnahmen ermitteln läßt. Doch weit gefehlt ! - Es gibt keine richtige Antwort !!! Diese aufsehenerrende Schlußfolgerung hatte Mandelbrot aufgrund folgender Argumentation: Angenommen wir vermessen die Küste mit einem Flugzeug aus ca 10 000m Höhe. Aus dieser Höhe läßt sich eine Vielzahl kleiner Buchten und Vorsprünge nicht erkennen. Wir machen die gleiche Messung aus einem kleinen Flugzeug aus 500m Höhe - und es werden viele zusätzliche Detais sichtbar. Stellen wir uns nun vor, wir machen uns zu Fuß auf den Weg um die Küste mit einer Genauigkeit von 1m abzumessen. Unregelmäßigkeiten, die aus der Luft nicht sichtbar sind, führen uns zu einem noch weitaus besseren Ergebnis als die beiden ersten Messungen. Doch nun wiederholen wir die Messung mit einer Genauigkeit von 1cm ...... Schnell ist man beim Maßstab eines Kieselsteines, eines Sandkornes, eines Moleküls, und das Meßergebnis wächst ins Unendliche !!!

Doch was hat diese Küstenlinie nun mit der Mathematik zu tun? Da sie im wahrsten Sinn des Wortes eine Kurve darstellt, könnte man meinen sie ist eindimensional. Dies stimmt jedoch nicht. Obwohl jede einzelne nach obigem System konstruierte Approximation der Küstenlinie eindimensional ist, gilt dies für die Grenzkuve nicht. Anläßlich der unendlich vielen wechselnden Richtungen der Kurve ist es auch nicht länger gerechtfertigt von 'Richtung' zu sprechen - wir haben damit die Welt unserer bekannten Mathematik verlassen. Der 'Dimensionsbegriff' muß angepaßt werden und durch ein Merkmal der Selbstähnlichkeit definiert werden. Für die Küstenlinie erhalten wir etwa D=1,2618. Gebilde die eine gebrochene Dimension aufweisen wurden 1977 von Mandelbrot als Fraktale bezeichnet und die Wissenschaft, die sich damit befaßt wird als fraktale Geometrie bezeichnet.

Knoten sind für den durchschnittlichen Pfadfinder sehr bald kein Problem - doch auch hier hat sich ein völlig neuer Zweig der Mathematik erst 1984 ergeben. Die Knotentheorie ist ein Unterbereich der Topologie. Es werden im dreidimensionalen Raum 'Knoten' mathematisch betrachten. Ein Knoten ist nicht anderes als eine geschlossene Schlinge, die mittels einer Schnur, eines Seils oder eines beliebigen anderen Materials gebildet wird. Wie entscheide ich also ob zwei Knoten wirklich verschieden sind? Wie entscheide ich überhaupt ob das Kabel des Rasenmähers nur verheddert ist - oder wirklich verknotet? Zauberkünstler machen von diesen beeindruckenden 'scheinbaren Knoten' ausgiebig Gebrauch. Am Anfang unseres Jahrhunderts wurden die Primknoten untersucht und sie wurden nach ihrer Kreuzungszahl klassifiziert. Da diese Kreuzungszahl eine Knoteninvariante ist, kann sie zur Untersuchung nichtäquivalenter Knoten herangezogen werden - doch leider können Knoten die nicht äquivalent sind die gleiche Kreuzungszahl haben. 1960 erzielte John Horton Conway eine neue und effektive Notation für Knoten. Doch bald stellt sich auch heraus, da jedem Knoten eine (unendliche) Knotengruppe zugeordnet werden kann. Angesichts der schweren mathematischen Geschütze die notwendig geworden sind, fragt sich der Leser, ob es denn nicht eine einfache Methode gibt Knoten zu unterscheiden. Die 1928 von J.W. Alexander gefunden wurden- Alexander-Knoten-Polynome - waren ein ersten Schritt, jene von 1984 erweiterte Knoten-Polynom-Darstellung half weiter, doch noch immer ist es nicht möglich mit Polynomen zwischen allen nicht äquivalenten Knoten zu unterscheiden.

Kurz möchte ich noch die Katastrophentheorie (=angewandet Theorie der Mannifaltigkeiten) erwähen. Die meisten Topologen würden diese Theorie der Mannigfaltigkeiten als die zentrale Triebkraft ihrer Disziplin betrachten. Obwohl die Topologie ein überaus leicht zu beschreiben ist, ist es ein schwieriges Teilgebiet der Mathematik. Intuitiv kann man sich die topologische Abbildung als eine stetige Deformation vorstellen, bei der das Objekt gebogen, gedehnt, zusammendegrückt oder verdreht wird oder aber eine Kombination solcher Verformungen. Man geht davon aus, daß das deformierte Objekt vollständig elastisch ist und beliebig viele solcher Verformungen unbschadet überstehen. Die obige Beschreibung mit Dehnen, Biegen und Drücken muß unvollständig sein, da die Topologie sich auch mit drei-, vier- und fünfdimensionalen Objekten beschäftigt. Viel Verwirrung verursacht auch hier der Begriff der Dimension. Die Oberfläche einer Kugel ist eine zweidimensionale Fläche - sie läßt sich allerdings nur in einem dreidimensionalen Raum darstellen.

Doch was wurde noch Anfang dieses Jahrhunderts über die Mathematik gesagt? G.H. Hardy schrieb 1940

... die Stukturen des Mathematikers müssen wie jene des Malers oder des Dichters schön sein; die Gedanken müssen sich wie die Farben oder die Worte harmonisch zusammenfügen. Schönheit ist der erste Prüfstein; eine häßliche Mathematik kann in der Welt nicht bestehen. Es mag sehr schwierig sein, mathematische Schönheit zu definieren, doch trifft dies für Schönheit jeder Art zu - wir wissen vielleicht nicht genau was wir unter einem schönen Gedicht verstehen, doch hindert uns dies nicht, es als solches zu erkennen, wenn wir es lesen.

Dr. Richard Mischak


Der internationale Mathematikerkongreß (ICM98)



Nebem dem Kongreß gab es auch

Bisherige Internationale Mathematik Kongresse

1893 Chicago
1897 Zürich
1900 Paris
1904 Heidelberg
1908 Rom
1912 Cambridge, UK
1920 Straßburg
1924 Toronto
1928 Bologna
1932 Zürich
1936 Oslo
1950 Cambridge, US
1954 Amsterdam
1958 Edinburg
1962 Stockholm
1966 Moskau
1970 Nizza
1974 Vancouver
1978 Helsinki
1982 Warschau
1986 Berkely
1990 Kyoto
1994 Zürich
1998 Berlin
... und wenn ihr noch mehr wissen wollt: Mathematics Without Borders: A History Of The International Mathematical Union by Olli Lehto

Die Fields-Medaillen 1998



Was den Physikern oder den Literaten der Nobelpreis bedeutet, ist für die Mathematiker die 'Fields-Medaille'. Mit dieser höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung, die ein Mathematiker erhalten kann, wurden am 18. August 1998 im Rahmen der Eröffnung des International Congress of Mathematicians Richard E. Borcherds, Maxim Kontsevich, William Timothy Gowers und Curtis T. McMullen ausgezeichnet. Außerdem verlieh die Internationale Mathematische Union den "Nevanlinna-Preis" für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Theoretischen Informatik an den Mathematiker Peter Shor.

Die Fields-Medaille ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die ein Mathematiker erhalten kann. Sie wird alle vier Jahre auf dem Internationalen Mathematiker-Kongreß (ICM) vergeben und ist mit 15 000 kanadischen Dollar (ca. 17 500 DM) dotiert. Es werden jeweils bis zu vier Mathematiker ausgezeichnet, die nicht über 40 Jahre alt sind. Die Altersbeschränkung soll garantieren, daß nicht nur zurückliegende wissenschaftliche Leistungen anerkannt werden. Die Auszeichnung soll die Fields-Medaillisten auch zu weiteren Arbeiten ermutigen.

"Fields-Medaille" ist nur die inoffizielle Bezeichnung der "Internationalen Medaille für herausragende Entdeckungen in der Mathematik". Ihr Namensgeber, der kanadische Mathematiker John C. Fields (1863 - 1932), organisierte den Internationalen Mathematiker-Kongreß von 1924 in Toronto. Fields konnte damals so viele Sponsoren finden, daß am Ende des Kongresses ein Überschuß blieb. Aus diesem Guthaben werden die Medaillen gestiftet.

Die erste Fields-Medaille wurde 1936 auf dem Weltkongreß in Oslo vergeben. Wegen der großen Expansion der mathematischen Forschung werden seit 1966 jeweils vier Medaillen pro Weltkongreß vergeben. Die Auszeichnung wird oft als "Nobelpreis für Mathematik" bezeichnet, da die Schwedische Akademie der Wissenschaften Mathematiker nur über den Umweg der Natur- oder Sozialwissenschaften ehren kann - einen eigenen Nobelpreis für Mathematik gibt es nicht.

Die Fields-Medaille ist aus Gold und zeigt den Kopf von Archimedes (287 bis 212 v. Chr.) zusammen mit einem Zitat, das ihm zugeschrieben wird: Transire suum pectus mundoque potiri (Über seine geistigen Fähigkeiten hinauswachsen und sich der Welt bemächtigen). Die Rückseite trägt den Satz Congregati ex toto orbe mathematici ob scripta insignia tribuere. (Die aus aller Welt zusammengekommenen Mathematiker verliehen [diese Medaille] auf Grund herausragender Schriften.)

Der einzige Deutsche, der die Fields-Medaille bislang erhielt, ist Gerd Faltings, Professsor am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Er wurde 1986 wegen seines Beweises der sogenannten Mordellschen Vermutung und seinen Arbeiten in der algebraischen Geometrie ausgezeichnet.

Der Nevanlinna-Preis wird seit 1983 für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Theoretischen Informatik vergeben. Der Preis ist ebenfalls mit einer Goldmedaille verbunden und mit 15 000 kanadischen Dollar (ca. 17 500 DM) dotiert. Stifter ist die Universität Helsinki. Der Preis erinnert an den finnischen Mathematiker Rolf Nevanlinna, der 1959 - 1962 Präsident der Internationalen Mathematischen Union war und den Weltkongreß von 1962 in Stockholm leitete. Die eine Seite der Münze zeigt den Kopf Nevanlinnas. Auf der Rückseite ist das Siegel der Universität Helsinki zu sehen sowie ein Rechteck aus Nullen und Einsen. Hier ist das Wort Helsinki codiert.

Um die Preisträger für die Fields-Medaillen und den Nevanlinna-Preis zu finden, bestimmt das Exekutiv-Komitee der Internationalen Mathematischen Union zwei Gremien. Das "Fields-Medaillen-Komitee" (in dieser Form ab 1962) umfaßt acht, das "Nevanlinna-Preis-Komitee" drei Mathematiker.

Fields-Medaillen gehen an:



Richard E. Borcherds

Richard E. Borcherds wird für seine Leistungen auf den Gebieten der Algebra und Geometrie ausgezeichnet, vor allem aber für seinen Beweis der sogenannten Moonshine-Vermutung. Diese Vermutung wurde Ende der 70er Jahre von den britischen Mathematikern John Conway und Simon Norton formuliert und stellt zwei mathematische Strukturen in einen so unerwarteten Zusammenhang, daß ihr die Experten den Namen "Moonshine" (Mondlicht) gaben: Ihr Gefühl war, daß sie die Mathematik dahinter in einem nur schwachen Licht erahnten. Borcherds konnte 1989 die Vermutung beweisen und hat - um im Bild zu bleiben - das Licht angeknipst.

Die Mondschein-Vermutung setzt die sogenannte "Monstergruppe" mit elliptischen Funktionen in Zusammenhang. Diese Funktionen dienen als Konstruktionsvorschriften für Gitterstrukturen in der Ebene und können beispielsweise in der Chemie nützlich sein, um Molekülstrukturen zu beschreiben. Die Monstergruppe hingegen schien bislang nur innerhalb der reinen Mathematik eine Bedeutung zu haben. Gruppen sind mathematische Objekte, mit denen sich Strukturen mit Symmetrien beschreiben lassen; technisch gesehen sind sie eine Menge von Objekten, für die bestimmte Rechenregeln gelten (zum Beispiel sind die ganzen Zahlen zusammen mit der Addition eine Gruppe). Ein berühmter Satz der Algebra sagt aus, daß alle Gruppen - seien sie noch so groß und kompliziert - aus den gleichen Bausteinen bestehen; so wie sich die materielle Welt aus Atomen zusammensetzt. Die "Monstergruppe" ist nun die größte der "sporadischen, endlichen, einfachen" Gruppen - und eines der bizarrsten Objekte der Algebra. Sie hat mehr Elemente als es Elementarteilchen im Universum gibt (ca. 8*1053). Daher der Name "Monster".

Borcherds benutzt in seinem Beweis viele Ideen der String-Theorie - ein überraschender Weg, die Theoretische Physik für die Mathematik nutzbar zu machen. Strings - auch wenn die Theorie unter Physikern als spekulativ gilt - wurden bei der Suche nach der "Weltformel" erfunden, um verschiedene physikalische Theorien zu vereinheitlichen. Strings kann man sich als Fäden oder Schlaufen vorstellen, die um ein vielfaches kleiner als Elektronen sind.

Richard Ewen Borcherds (geb. 29.11.1959) ist seit 1996 "Royal Society research professor" am Fachbereich für Reine Mathematik und Mathematische Statistik an der Universität Cambridge, Großbritannien (Department of Pure Mathematics and Mathematical Statistics, D.P.M.M.S.). Borcherds hat sein akademisches Leben bisher in Cambridge und Berkeley verbracht. Nach Studium und Promotion (1985) in Cambridge wurde er Fellow am Trinity-College und ging 1987 als Assistant Professor an die University of California in Berkeley, um Ende 1988 als Fellow der Royal Society wieder nach Cambridge zurückzukehren. Seit Ende 1993 ist er Professor in Berkeley, zur Zeit aber beurlaubt, um seine Professur in Cambridge wahrzunehmen.


Maxim Kontsevich

Maxim Kontsevich hat sich in der Reinen Mathematik sowie in der Theoretischen Physik durch einflußreiche Ideen und tiefliegende Einsichten einen Namen gemacht. Arbeiten der Physiker Richard Feynman sowie Edward Witten haben ihn beeinflußt. Kontsevich ist Experte in der sogenannten String-Theorie und der Quantenfeldtheorie. Bekannt geworden ist er durch Arbeiten zu vier Problemen aus der Geometrie.

So gelang es ihm, eine Vermutung von Witten zu beweisen und die mathematische Äquivalenz zweier Modelle der sogenannten Quantengravitation aufzuzeigen. Quantengravitation ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zur "Weltformel". Sie harmonisiert die physikalischen Theorien des Makrokosmos (Massenanziehung) und des Mikrokosmos (Kräfte unter Elementarteilchen).

Ein anderes Resultat von Kontsevich betrifft die Knotentheorie. Mathematiker verstehen unter Knoten das gleiche wie normale Menschen: Verzwirbelte Schnüre wie Segelknoten und Schnürsenkel (mit dem Unterschied, daß in der Mathematik die losen Enden der Senkel stets verbunden sind). Die Zahl der Knoten ist unübersehbar. Eine zentrale Frage der Knotentheorie ist nun: Welche der vielen Knoten sind "äquivalent", mit anderen Worten: Welche Knoten können allein durch Drehungen und Verbiegungen ineinander überführt werden, ohne daß man eine Schere zur Hilfe nimmt? Die Frage ist noch unbeantwortet, obwohl sie bereits Anfang des Jahrhunderts aufkam. Man weiß noch nicht einmal, welche Knoten sich "auflösen" lassen, also in eine einfache Schlinge ohne Knoten überführt werden können. Die Mathematiker suchen nach einer Klassifizierung aller Knoten: Jedem Knoten soll eine Zahl oder Funktion zugeordnet werden; äquivalente Knoten erhalten dabei die gleiche Zahl; Knoten, die sich nicht ineinander durch Verbiegungen überführen lassen, müssen verschiedene Nummern bekommen. Eine solche Charakterisierung der Knoten ist noch nicht geschafft. Kontsevich hat die bislang beste "Knoteninvariante", wie diese Funktionen heißen, gefunden. Zwar gehört die Knotentheorie zur reinen Mathematik, doch scheint es Anwendungen in den Naturwissenschaften zu geben. So tauchen Knotenstrukturen in der Kosmologie, der Statistischen Mechanik und der Genetik auf.

Maxim Kontsevich (geb. 25.8.1964) ist Professor am Institute des Hautes Études Scientifiques (I.H.E.S.) bei Paris sowie Visiting Professor an der Rutgers University in New Brunswick (USA). Nach dem Studium an der Moskauer Universität und erster Forschungstätigkeit am dortigen "Institut für Probleme der Informationsverarbeitung" wurde er 1992 an der Universität Bonn promoviert. Danach führten ihn Einladungen an die Harvard University, nach Princeton, Berkeley und Bonn. Seit 1995 ist er am I.H.E.S. tätig.


William Timothy Gowers

William Timothy Gowers hat wesentliche Beiträge in der Funktionalanalysis geliefert und dabei reichen Gebrauch von Methoden aus der Kombinatorik gemacht. Diese zwei Gebiete haben nur wenig miteinander zu tun, und ein großes Verdienst von Gowers ist es, sie fruchtbar verbunden zu haben. Funktionalanalysis und Kombinatorik haben gemeinsam, daß viele der Probleme aus diesen Gebieten leicht zu formulieren, aber äußerst schwer zu lösen sind.

Gowers hat durch ausgefeilte mathematische Konstruktionen einige Vermutungen des berühmten polnischen Mathematikers Stefan Banach (1892 - 1945) beweisen können, darunter das sogenannte "Problem der unbedingten Basen". Banach galt als Exzentriker, der lieber im Café als in seinem Büro an der Universität Lemberg (Lwów) arbeitete. In den 20er und 30er Jahren entstand im "Schottischen Café" eine Kladde, die Probleme der Funktionalanalysis umfaßte. Sie wurde später als das "Schottische Buch" bekannt. Gowers hat wesentliche Beiträge vor allem zur Theorie der Banachräume geliefert. Banachräume sind Mengen, deren Elemente nicht Zahlen sind, sondern kompliziertere mathematische Objekte wie Funktionen, Maße oder Operatoren. Mit ihnen läßt sich in Banachräumen aber ähnlich wie mit Zahlen rechnen.

Anwendung finden diese Objekte zum Beispiel in der Quantenphysik. Eine zentrale Frage unter Mathematikern und Physikern ist, welche inneren Strukturen diese Räume aufweisen, beispielsweise, wieviele Symmetrien sie enthalten (ob sie also unter Drehungen und Spiegelungen selbstähnlich bleiben). Gowers gelang es, einen Banachraum zu konstruieren, der fast keine Symmetrien besitzt. Diese Konstruktion dient seither als raffiniertes Gegenbeispiel für viele Vermutungen aus der Funktionalanalysis, darunter das Hyperebenen-Problem und das Schröder-Bernstein-Problem für Banachräume. Durch Gowers' Vorarbeit ließ sich eines der berühmtesten Probleme der Funktionalanalysis, das sogenannte "Problem der homogenen Räume" lösen. Vor einem Jahr machte Gowers in der Kombinatorik auf sich aufmerksam, als er zu einem Theorem des Mathematikers Emre Szemerédi einen neuen Beweis lieferte, der kürzer und eleganter als die ursprüngliche Argumentation war. Eine solche Leistung setzt ein äußerst tiefes mathematisches Verständnis voraus.

William Timothy Gowers (geb. 20.11.1963) ist Dozent am Fachbereich für Reine Mathematik und Mathematische Statistik an der Universität Cambridge, Großbritannien - genauer: Lecturer, Department of Pure Mathematics and Mathematical Statistics (D.P.M.M.S) - und Fellow am Trinity College, Cambridge. Ab Oktober wird er als Rouse Ball Professor für Mathematik an der Universität Cambridge arbeiten. Nach Studium und Promotion (1990) in Cambridge ging er 1991 an das University College London. Ende 1995 kehrte er als Dozent nach Cambridge zurück. 1996 erhielt er den Preis der Europäischen Mathematischen Gesellschaft.


Curtis T. McMullen

Curtis T. McMullen wird vor allem für seine Arbeiten auf den Gebieten der Geometrie und der "Komplexen Dynamik" ausgezeichnet, einem Zweig der Theorie der Dynamischen Systeme, die umgangssprachlich oft "Chaostheorie" genannt wird. McMullen hat in zahlreichen mathematischen Gebieten und ihren Grenzbereichen gewirkt.

Ein wichtiges Resultat konnte McMullen bereits in seiner Doktorarbeit lösen. Es ist die Frage, wie man aus einer beliebigen Gleichung alle Lösungen berechnen kann. Für einfache Gleichungen kann man sie durch Umformungen ermitteln. Bei den meisten Gleichungen aber muß man sich mit Näherungslösungen begnügen. Ein bekanntes Näherungsverfahren ist das "Newton-Verfahren", das - in einfacher Form bereits in der Antike bekannt war. Für sogenannte polynomiale Gleichungen zweiten Grades liefert es ohne wesentliche Ausnahmen sehr gute Ergebnisse. Eine zentrale Frage war daher, ob es ähnliche Verfahren - die man bloß noch nicht gefunden hatte - auch für Gleichungen höheren Grades gibt. Curtis T. McMullens Ergebnis: Für Gleichungen mit einem Grad größer als drei kann es definitiv keinen solchen universellen Algorithmus geben; nur für Teilbereiche ist ein Verfahren möglich. Für Gleichungen vom Grad drei entwickelte er ein "neues" Newton-Verfahren und konnte damit die Frage nach Näherungslösungen vollständig lösen.

Ein weiteres Resultat von McMullen betrifft die Mandelbrotmenge (unter dem Namen "Apfelmännchen" bekannt). Diese Menge beschreibt dynamische Systeme, mit denen komplizierte Naturphänomene wie Wetter oder Strömungen in Flüssigkeiten modelliert werden. Man interessiert sich dafür, wo das System auseinanderdriftet und welche Punkte sich auf ein Gleichgewichtszentrum zubewegen. Die Trennungslinie zwischen diesen beiden Extremen ist die sogenannte Julia-Menge, benannt nach dem französischen Mathematiker Gaston Julia, der Anfang des Jahrhunderts die Theorie der dynamischen Systeme begründete. Die Mandelbrotmenge zeigt nun, für welche Parameter die Julia-Menge "zusammenhängend" ist, also eine mathematisch schöne Eigenschaft besitzt. Doch diese Beschreibung ist noch sehr grob; eine bessere Charakterisierung der Grenzmenge ist Mathematikern noch nicht gelungen. Curtis T. McMullen machte aber einen großen Schritt in diese Richtung, als er zeigte, daß man aus der Mandelbrotmenge zum Teil auch herauslesen kann, welche zugehörigen dynamischen Systeme "hyperbolisch", und damit detaillierter zu beschreiben sind. Für diese Systeme steht eine weit entwickelte Theorie bereit. Bereits in den 60er Jahren wurde McMullens Ergebnis vermutet, doch niemand vor ihm konnte diese genauere Charakterisierung der Julia-Menge beweisen.

Curtis T. McMullen (geb. 21. 5. 1958) ist Visiting Professor an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts (USA). Er studierte in Williamstown, Cambridge (Großbritannien) sowie Paris und promovierte 1985 in Harvard. Danach arbeitete er als Dozent und Assistent an verschiedenen Universitäten, bevor er 1990 Professor an der University of California in Berkeley wurde. Seit 1998 lehrt er in Harvard. Die Fields-Medaille ist seine zehnte große Auszeichnung. In diesem Jahr wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.




Der Nevanlinna-Preis geht an:


Peter Shor

Peter Shor hat bahnbrechende Arbeiten in der Kombinatorik und der Theorie des "Quantencomputing" geleistet. Weltweit bekannt wurde er 1994, als er ein Rechenverfahren zur "Faktorisierung großer Zahlen" vorstellte, mit dem sich viele der heute verwendeten Verschlüsselungsverfahren knacken lassen - zumindest theoretisch: Shors Algorithmus funktioniert nämlich nur auf sogenannten "Quantencomputern", von denen es bislang lediglich Prototypen gibt.

Quantencomputer rechnen nicht mit Strom wie herkömmliche Computer, sondern nutzen Überlagerungszustände von Atomen aus und können dabei Rechenkapazitäten erlangen, die die heutigen parallelen Höchstleistungsrechner weit übertreffen. Shors Ergebnis löste damals unter Physikern und Informatikern einen Forschungsboom aus. Experten erwarten, daß Quantencomputer schon in den nächsten Jahrzehnten Wirklichkeit werden könnten. Diese schnelle Entwicklung wird aber auch mit Sorge betrachtet: Shor konnte nämlich mathematisch beweisen, daß mit den neuen Rechnern Verschlüsselungsverfahren wie das "RSA", das heute als Standard bei digitalem Geld und elektronischen Unterschriften gilt, nicht mehr sicher wären.

"RSA" wurde 1977 von den Mathematikern Ronald Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman erfunden (daher die Abkürzung). Es nutzt aus, daß die Faktorisierung von Zahlen eine sogenannte Einbahnstraßen-Funktion ist. Grob gesprochen bedeutet dies: Zahlen miteinander mal zu nehmen, geht schnell - aus einer großen Zahl aber ihre einzelnen Faktoren auseinander zu dividieren, ist nur mit größtem Zeitaufwand möglich; allein hierauf beruht die Sicherheit vieler Verschlüsselungsverfahren.

Mit Shors Algorithmus ist die Faktorisierung großer Zahlen auf Quantencomputern genauso schnell wie das Malnehmen - "RSA" und andere Verschlüsselungsverfahren könnten geknackt werden. Experten geben zwar Entwarnung, da noch viel Vorarbeit geleistet werden muß, um solche Rechner überhaupt zu konstruieren, doch Kryptographen tüfteln schon heute an neuen, noch sichereren Verschlüsselungstechniken.

Peter Shor (geb. 14. 8. 1959) ist Mathematiker bei den AT&T Labs in Florham Park, New Jersey (USA). Seine Forschungsinteressen umfassen Quantencomputing, algorithmische Geometrie und Kombinatorik. Nach dem Studium an dem California Institute of Technology (Caltech) promovierte er 1985 am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Bevor er 1986 zu AT&T ging, war er ein Jahr lang Postdoc am Mathematical Sciences Research Center in Berkeley, Kalifornien (USA).

Quelle Technische Universität Berlin

Bisherige Fields-Medals:

Fields Medals and Rolf Nevanlinna Prize 1994

World Mathematical Year 2000


In the "Declaration of Rio de Janeiro on Mathematics" of May 6, 1992, IMU has declared the year 2000 to be World Mathematical Year, WMY 2000. The Declaration of Rio de Janeiro sets three goals:
Whereas the IMU wishes to mark the turn of the century in a manner appropriate to the standard set by David Hilbert in 1900, the General Assembly directs the Executive Committee to set up a committee to report to the adhering bodies by September 1991 [on] how to accomplish [this so] that in 1994 the Assembly can discuss it and decide how to proceed.
A Server for the
World Mathematical Year 2000 has been established in Paris. This server reports about the progress in organizing the World Mathematical Year 2000. Moreover, it offers all newsletters published about WMY 2000.